Wie beschreiben Sie das Anlagejahr 2019?
L.C.: Nach dem schwachen Aktienjahr 2018 sind die meisten Märkte stark gestiegen. Einer der grossen Gewinner ist der Schweizer SPI mit 32%. Auch in den USA wurde der technologielastige Nasdaq mit einer Performance von 32% durch Momentum-Titel, wie Netflix und Amazon, stark vorangetrieben. Aufgrund der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken sind die Zinsen global gesunken. Hiervon konnte der Immobiliensektor profitieren.
Was machte das letzte Jahr unverwechselbar?
M.G.: Die globalen Wirtschaftsdaten trübten sich im Jahr 2019. Der potenzielle Handelskrieg lastete auf der Wirtschaftsstimmung, und die Liquidität der Märkte verringerte sich deutlich gegenüber den letzten Jahren. Nichtsdestotrotz erlebten die Aktienmärkte ein ausserordentliches Jahr. Diese exorbitanten Performances lassen sich mit der Tatsache erklären, dass die Zentralbanken wider Erwarten expansiver agierten und die Finanzmärkte dadurch unterstützten. Diese Entkoppelung zwischen Finanzmärkten und Wirtschaft ist nicht ungefährlich und sollte gut beobachtet werden.
Im 2019 wurden gewisse Investoren von der starken Performance der Aktienmärkte überrumpelt. 2020 erwarten wir aufgrund verschiedener Faktoren einiges mehr an Volatilität.
Welches war Ihre beste Aktienempfehlung im Jahr 2019?
L.C.: Im August 2019 haben wir Sika AG empfohlen. Dies war unsere beste Empfehlung im vergangenen Anlagejahr. Die Aktie hat seit der Kauf-Empfehlung 31 Prozent gemacht. Im Vergleich war dies deutlich besser als der SMI (8%) oder der EuroStoxx (10%) in der gleichen Zeitperiode. Gründe für die Empfehlung waren die erfolgreiche Unternehmensexpansion, die investorenfreundliche Dividendenpolitik und die positive Kombination unserer Fundamental-Analyse sowie unserer technischen Analyse.
Wie wird sich die Bank CIC im Anlagegeschäft 2020 positionieren?
M.G.: Das Jahr 2020 haben wir zwar mit einer neutralen Positionierung in der Aktiengewichtung begonnen, sehen jedoch Opportunitäten in europäischen Aktien. Unseres Erachtens wird die Selektion in finanziell stabile Unternehmen umso wichtiger werden.
Wie wird sich der Markt im kommenden Jahr (2020) Ihrer Meinung nach entwickeln?
M.G.: Wir gehen davon aus, dass die Gewinnprognosen der Unternehmen von einem möglichen negativen Ausgang des Handelsstreites oder der Auswirkungen des Coronavirus nach unten revidiert werden müssen. Denn Beobachter konstatieren, dass der Abschluss eines Abkommens angesichts der ausstehenden komplexen Themen schwierig werden dürfte. Das Wahljahr der US-Präsidentschaft ist aus einer historischen Perspektive positiv für die Aktien, weshalb der SMI per Jahresende im besten Fall unverändert sein wird. Nichtsdestotrotz rechnen wir jedoch mit erhöhter Volatilität.
Welche drei Aktien aus dem Swiss Market Index würden Sie für das Jahr 2020 kaufen und welche meiden?
L.C.: Unserer Meinung nach muss man auf solide und defensive Titel wie zum Beispiel Zurich, Givaudan oder Swisscom setzen. Im Jahr 2019 wurde der Swiss Market Index insbesondere von den drei Schwergewichten Roche, Novartis und Nestlé bestimmt. Wir vermuten, dass diesen Aktien nach einem Zuwachs von fast 30 Prozent die Puste ausgehen könnte.
In Anbetracht globaler Unsicherheiten empfehlen wir volatil-resistente Qualitätstitel, da sich diese im Gegensatz zu High-Beta-Aktien durch Krisenresistenz auszeichnen.
Der Goldpreis hat in diesem Jahr 14 Prozent zugelegt. Was erwarten Sie für eine Preisentwicklung im nächsten Jahr?
L.C.: Gold ist eines unserer Lieblingsthemen. Wer auf der Suche nach einem herausragenden Portfolioabsicherungsbaustein ist, der sollte weiterhin auf Gold setzen. Auch dieses Jahr dürfte das Edelmetall von tiefen Haltekosten infolge der sehr tiefen Zinsen und der expansiven Geldpolitik der Notenbanken weiterhin profitieren. Zudem setzen immer mehr Zentralbanken aus den Entwicklungsländern auf Gold als Substitut für ihre US-Dollar-Fremdwährungsreserven. Der von uns erwartete schwächere Dollar wird die private Nachfrage aus den Schwellenländern fördern. Zu guter Letzt bietet Gold einen kostengünstigen Schutz vor Extremrisiken aller Art.
Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
M.G.: Unseres Erachtens wird der SMI per Jahresende vermutlich unverändert sein wie zum Jahresauftakt. Wir erwarten ein Aktienjahr, welches jedoch von erhöhter Volatilität geprägt ist.
Und was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte sonst noch?
M.G.: Wir werden die Auswirkungen des Coronavirus noch einige Zeit spüren. Die Weltwirtschaft wird Zeit brauchen, um sich zu erholen. Das liegt an den stark vernetzten Volkswirtschaften, in denen ein effektiver Neustart der Wirtschaft ziemlich schwierig sein kann. Die expansive Geldpolitik ist dabei zwar kurz- und mittelfristig gut für die Finanzmärkte, jedoch müssen die Notenbanken achtsam sein, dass das Vertrauen in diese Institutionen nicht verloren geht. Die Zentralbanken können nicht anhaltend expansiv sein, ansonsten leidet die Glaubwürdigkeit darunter. Diese Glaubwürdigkeit muss langfristig gesichert sein.
Kostengünstig die Marktperformance replizieren hört sich gut an, wie stehen Sie zum Thema passives Investieren mittels Exchange Trade Fund (ETF)?
M.G.: Die Investment-Branche markierte 2019 einen Meilenstein. Zum ersten Mal wurde gleich viel Vermögen in passiv verwaltete Fonds wie in aktiv begleitete investiert. Passive Anlagevehikel sind unserer Meinung nach wichtige Bestandteile im Portfoliomanagement. Von einer 100%-Allokation in ETFs raten wir jedoch ab. Kostengünstig die Marktperformance replizieren zu können, hört sich zwar gut an, birgt jedoch auch gewisse Risiken. Erstens, 80% des globalen ETF-Marktes sind in der Hand von nur fünf Anbietern. Zweitens, ETFs setzen sich nach der Grösse der Unternehmen zusammen. Somit kommen in den Index die grössten Titel, und je stärker die Kurse steigen, desto grösser wird die Gewichtung. Dies könnte zu einer Blase führen, denn damit verhalten sich die meisten ETFs automatisch prozyklisch, sie legen in Titeln an, die in der Vergangenheit bereits gut abgeschnitten haben. Nicht zuletzt müssen Anleger bedenken, dass die ETFs die Marktperformance in positiven, sowie auch in negativen Marktphasen, wie Anfang März 2020 gesehen, replizieren. Dann, wenn ein aktiver Manager einschreitet und das Portfolio defensiver ausrichtet, ist dies für den ETF-Investor nicht möglich.
Nachdem die Märkte 2019 ein exorbitantes Finanzjahr hinter sich haben, gibt es Bedenken, das Vermögen zum jetzigen Zeitpunkt zu investieren. Auf was soll der Investor achten?
M.G.: Wir werden oft von Kunden mit dieser Frage konfrontiert. Tatsächlich war das Jahr 2019 ausserordentlich gut im Gegensatz zum Jahr 2020, das hat nicht gut angefangen. Doch die Zentralbanken sind weiterhin bestrebt, die Liquiditätsschleuse offen zu halten und gegebenenfalls sogar die Geldmenge zu erhöhen, was die Finanzmärkte mittelfristig weiterhin stärken sollte. Ein zentraler Punkt, wenn es zur Frage des Timings kommt, ist die Tatsache, dass Investitionen in Aktien etwas Langfristiges sind. Wir betreiben kein «Trading», sondern suchen optimale Einstiegszeitpunkte für unsere Kunden. In gute Unternehmen mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell, stabilen Dividenden und soliden Bilanzen kann man jederzeit investieren. Schliesslich ist festzuhalten, dass ein Aktienportfolio stets über einen Zeitraum von mindestens zehn Jahren betrachtet werden sollte. Dies gibt dem Portfolio Manger aber auch dem Kunden die Möglichkeit, verschiedene Wirtschaftszyklen durchzustehen.